
Am Dienstag, dem 5. Juni 2018 war Frau Ministerin Dr.in Juliane Bogner-Strauß in der Wohngemeinschaft Contraste Klagenfurt zu Besuch. Wir nutzten die Gelegenheit, Frau Ministerin Bogner-Strauß auf unsere Themen, die uns in unserer täglichen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen beschäftigen, hinzuweisen.
Die Kinder- und Jugendhilfe hat keine Lobby, verursacht Kosten und ist meist kein attraktives oder gar leichtes Themenfeld. Auch die gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahre stellt uns vor große Aufgaben, Herausforderungen und Veränderungen.
Wir bitten Sie, folgende Punkte in der derzeitigen Evaluation des B-KJH-Gesetzes im Rahmen Ihres Ressorts zu berücksichtigen.
Die brennendsten Themenbereiche im stationären Kinder- und Jugendhilfebereich aus unserer Sicht sind:
Hilfe für junge Erwachsene (Careleaver)
Die Betreuung der Care Lever braucht dringend einen klar geregelten Rahmen der Betreuung und Nachbetreuung (ausreichend personelle Ressourcen in den Betreuungseinrichtungen bzw. Nachbetreuung in Form von ambulanter Betreuung unter Berücksichtigung der Beziehungskontinuität). Wir bitten um eine Neuregelung der „Hilfen für junge Erwachsene“ im B-KJHG. Die österreichweite Plattform Jugendhilfe 18+ hat diesbezüglich in einem an sie gerichteten Schreiben, ihre fachliche Expertise angeboten.
Aktive Elternarbeit (stationärer Bereich)
Der vorgegebene Personalschlüssel ist in den Bundesländern unterschiedlich festgelegt. Nachhaltig wäre jedoch, den Personalschlüssel den Herausforderungen anzupassen. Um professionelle, der Wissenschaft entsprechende Elternarbeit leisten zu können, ist es notwendig personelle Ressourcen bereitstellen zu können. Dies ist im Moment in keinem Bundesland der Fall.
Elternarbeit ist die Voraussetzung für einen nachhaltigen Betreuungserfolg. Kommt das Kind, der Jugendliche zurück in die Familie, ist es für eine zukünftig erfolgreiche Entwicklung unabdingbar, dass Veränderungen auch im Herkunftssystem stattgefunden haben.
Therapeutische und psychiatrische Versorgung
Die Kinder und Jugendlichen, die in Wohngemeinschaften ankommen, haben sich im letzten Jahrzehnt stark verändert. Viele der Kinder und Jugendlichen haben unterschiedlichste, psychiatrische Diagnosen. Adäquat darauf zu reagieren fällt den Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen aus mehreren Gründen schwer:
- Die notwendigen Leistungen sind nicht in der Kostenstruktur integriert (es muss extra angesucht werden – meist ein langwieriger und bürokratischer Prozess)
- Die Ausbildung zum Sozialpädagogen / zur Sozialpädagogin ist bundesweit nicht einheitlich geregelt
- Es fehlt an Multiprofessionellen Betreuungsteams (bestehend aus einem Facharzt für Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie im Rahmen des Konsiliardienst, Klinischen PsychologInnen, PsychologInnen, SozialpädagoInnen, ErlebnispädagogInnen) diese müssten gesetzlich verankert werden und in der Tagsatzfinanzierung ihre Berücksichtig finden.
Gruppengrößen bzw. spezifische Einrichtungen um Passgenauigkeit zu erlangen
Viele Kinder und Jugendliche haben spezielle Bedürfnisse, die in einer sozialpädagogischen Wohngemeinschaft nur wenig bis keine adäquate Unterstützung finden. Es kommt zu weiteren Beziehungsabbrüchen und verschlimmert meist die Situation. Es wäre besonders hilfreich und im Sinne der Nachhaltigkeit effektiv kleinere und spezialisierte Wohngemeinschaften flächendeckend in Österreich zu installieren.
Bundesgesetzgebung versus Landesgesetzgebung
Es ist aus unserer Sicht keinesfalls ein Vorteil, dass die Durchführung die Kinder- und Jugendhilfe ausschließlich auf Länderebene geregelt ist. Jetzt schon ist es äußerst problematisch, dass ein Kind in der Steiermark „mehr wert ist“ als ein Kind in Kärnten. Unser Wunsch wäre es, dass der Bund verstärkt die Steuerungsfunktion der Kinder- und Jugendhilfe in Österreich wahrnimmt.
Danke für Ihren Besuch!